Aktuelles

Betriebsverfassungsrecht – Vergütung der Betriebsratsmitglieder

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat am 23. November 2022 entschieden, dass das Gehalt eines Betriebsratsmitglieds nicht anzupassen sei, wenn der Arbeitgeber und das Betriebsratsmitglied vor der Übernahme des Amtes ein niedrigeres Gehalt vereinbart hätten.

Das BAG hat klargestellt, dass die in Frage kommende Vorschrift – § 37 Abs. 4 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) – das Betriebsratsmitglied nicht schützt, wenn es bereits vor der Übernahme des Amtes eine dauerhafte niedriger vergütete Tätigkeit mit dem Arbeitgeber vereinbart. Der Schutzzweck des § 37 Abs. 4 BetrVG besteht darin, das Betriebsratsmitglied während der Amtszeit dergestalt zu schützen, dass es bezogen auf die berufliche Weiterentwicklung genau so zu stellen wäre, wie ein vergleichbarer Arbeitnehmer nach den betriebsüblichen Umständen.

Urteil des BAG vom 23. November 2022 – 7 AZR 122/22

Entgelt – Unterschiedliche Bezahlung aufgrund des Geschlechts

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat am 16. Februar 2023 entschieden, dass eine Frau einen Anspruch auf das gleiche Gehalt für gleiche oder gleichwertige Tätigkeiten hat, wenn der Arbeitgeber männlichen Kollegen aufgrund des Geschlechts ein höheres Gehalt zahlt. § 22 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) sieht vor, dass der Arbeitgeber hätte beweisen müssen, dass die Benachteiligung nicht aufgrund des Geschlechts erfolgte. Dies ist ihm nicht gelungen. Insbesondere verfing die Begründung nicht, dass der männliche Kollege ein höheres Entgelt ausgehandelt habe.

 

Urteil des BAG vom 16. Februar 2023 – 8 AZR 450/21

Bewerbung – Diskriminierung

Das Landesarbeitsgericht Nürnberg (LAG) hat am 13. Dezember 2022 entschieden, dass es sich um eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts nach §§ 3, 6, 7, 15 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) handelt, wenn der Arbeitgeber eine Absage mit folgender Begründung erteilt (Auszug):   „[…] unsere sehr kleinen, filigranen Teile sind eher etwas für flinke Frauenhände“.

Urteil des LAG Nürnberg vom 13. Dezember 2022 – 7 Sa 168 / 22

Kündigung – Impfpflicht

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat am 30. März 2023 entschieden, dass die Kündigung einer nicht gegen das Coronavirus geimpften medizinischen Fachangestellten nicht gegen das Maßregelungsverbot des § 612a Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) verstößt, wenn die Kündigung zum Schutz der Patienten und der Belegschaft erfolgt.

Das BAG hat in dieser Entscheidung klargestellt, dass die Kündigung wirksam ist, wenn sie erkennbar nicht wegen der Weigerung sich impfen zu wollen ausgesprochen wird, sondern wegen des Schutzes der Patienten und Kollegen. Dies sei auch unter verfassungsrechtlichen Maßstäben gerechtfertigt – und damit – wie in diesem Fall – auch schon vor Inkrafttreten der gesetzlichen Impfpflicht.

 

Urteil des BAG vom 30. März 2023 – 2 AZR 309/22

Nachtarbeit – unterschiedliche hohe Nachtzuschläge

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat am 22. Februar 2023 entschieden, dass tarifliche Regelungen, die unterschiedlich hohe Zuschläge für unregelmäßige und regelmäßige Nachtarbeit, zulässig sind, wenn ein sachlicher Grund für die Ungleichbehandlung vorliegt, der aus dem Tarifvertrag klar erkennbar ist. So war es in dem entschiedenen Fall. Hier sah der Tarifvertrag einen höheren Zuschlag für die unregelmäßige Nachtarbeit vor, da die unregelmäßige Nachtarbeit für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer schlechter planbar seien.

 

Urteil des BAG vom 22. Februar 2023 – 10 AZR 332/20

Tariffähigkeit von ver.di

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat am 13. September 2022 entschieden, dass ver.di tariffähig ist, und damit auch in der Pflegebranche Tarifverträge abschließen kann. Der antragstellende Arbeitgeberverband hat begehrt feststellen zu lassen, dass ver.di in der Pflegebranche nicht tariffähig sei, dass ver.di seiner Ansicht zu wenig Mitglieder in dieser Branche habe um Tarifverträge abschließen zu können.

Dieser Argumentation folgte das BAG nicht. Es hat festgestellt, dass es eine nur teilweise Tariffähigkeit für z.B. bestimmte Branchen im deutschen Arbeitsrecht nicht gibt. An der grundsätzlichen Tariffähigkeit von ver.di hatte das BAG keinen Zweifel, womit es den Antrag abgelehnt hat.

 

Beschluss des BAG vom 13. September 2022 – 1 ABR 24/21 –

Betriebsverfassungsrecht – Einführung eines elektronischen Zeiterfassungssystems

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat am 13. September 2022 entschieden, dass Arbeitgeber nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) verpflichtet sind, ein System einzuführen, mit dem die von den Arbeitnehmern geleistete Arbeitszeit erfasst werden kann. Da sich diese Verpflichtung bereits aus dem Gesetz ergebe, bestehe nach § 87 Betriebsverfassungsgesetz kein Mitbestimmungsrecht auf Einführung einer elektronischen Zeiterfassung.

Beschluss des BAG vom 13. September 2022 – 1 ABR 22/21 –

 

Betriebsverfassungsrecht – innerbetriebliche Stellenausschreibung

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat am 11. Oktober 2022 entschieden, dass der Arbeitgeber eine vom Betriebsrat verlangte Ausschreibung von Arbeitsplätzen nach § 93 Betriebsverfassungsgesetz  (BetrVG) vornehmen muss, bevor er eine Entscheidung über die Besetzung trifft und den Betriebsrat nach § 99 BetrVG um Zustimmung ersucht. Außerdem hat das BAG entschieden, dass der Arbeitgeber die Verpflichtung zur Stellenausschreibung nicht während des Zustimmungsersetzungsverfahrens vor der Arbeitsgerichtsbarkeit „nachholen“ kann.

Beschluss des BAG vom 11. Oktober 2022 – 1 ABR 16/21

Betriebsverfassungsrecht – Vorlage der Bewerbungsunterlagen in digitaler Form

Das Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt (LAG) hat am 13. Oktober 2022 entschieden, dass dem Recht des Betriebsrats auf Vorlage der Bewerbungsunterlagen nach § 99 Abs. 1 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) Genüge getan ist, wenn der Arbeitgeber dem Betriebsrat die Unterlagen digital zur Verfügung stellt, die Betriebsratsmitglieder Laptops zur Verfügung stehen und sie Zugang zum Bewerbermanagementsystem haben.

 

Beschluss des LAG Sachsen-Anhalt vom 13.10.2022 – 2 TaBV 1/22 (Rechtsbeschwerde vor dem Bundesarbeitsgericht eingelegt unter dem Aktenzeichen 1 ABR 28/22)

Urlaubsrecht – Verjährung

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat am 11. Oktober 2022 entschieden, dass die Abgeltung restlichen Erholungsurlaubs nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach § 7 Abs. 4 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) grundsätzlich der dreijährigen Verjährungsfrist nach § 195 Bürgerliches Gesetzbuch unterliegt. Das BAG hat allerdings festgehalten, dass es entscheidend sei, ob das Arbeitsverhältnis vor der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 06. November 2018 (C-684/16) endete oder nicht. Sollte der Arbeitsvertrag vor der Entscheidung beendet worden sein, dann würde die Ausschlussfrist erst mit der Bekanntgabe des Urteils zu laufen beginnen.

Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass die Verjährungsfrist der Abgeltung ohnehin nur dann in Betracht kommt, wenn der Arbeitgeber nicht während des laufenden Arbeitsverhältnisses seinen Mitwirkungspflichten nachgekommen ist (dazu: Urteil des BAG vom 20. Dezember 2022 – 9 AZR 266/20). Wenn er dies indes getan hat, kommt Verfall nach § 7 Abs. 3 BUrlG oder Verjährung nach § 195 BGB (während des Beschäftigungsverhältnisses) in Betracht.

Urteil des BAG vom 31. Januar 2023 – 9 AZR 456/20 –